Verdun – eine Mahnung an Europa

Volker Hildisch // Dezember 2016

Beinhaus von Douaumont, Verdun © Foto: Volker Hildisch

Es ist diese Stille, die einem inmitten der Gräberreihen unterhalb des Beinhauses von Douaumont sofort auffällt. An diesem Frühsommertag im Jahr 2016 auf dem Schlachtfeld von Verdun, auf dem rund 16.000 französische Soldaten ruhen, weht nur ein leichter Wind über die gepflegten Rasenflächen zwischen den unzähligen Kreuzen. Der Besucherandrang und somit auch der Verkehr halten sich in Grenzen. Auffallend viele Jugendliche sind gekommen.

Zum ersten Mal bin ich vor 40 Jahren über die Schlachtfelder von Verdun und durch das alte Gebeinhaus mit noch offenen Kammern voller Knochen gegangen, getrieben von Erzählungen meines Großvaters, der von Westfalen aus in den Krieg gegen den „Erzfeind“ geschickt wurde und nur Dank einer Verwundung überlebte. Ich bin überrascht, wie gepflegt und mit Erklärungsschildern versehen sich diese an einen Park erinnernden Flächen heute präsentieren. Im Krieg zogen sich kilometerlange Schützengräben und tiefe Granattrichter über die Höhenzüge östlich von Verdun. Wo ab Februar 1916 der Wald durch hunderttausende von Einschlägen in Kleinholz zerlegt wurde, holen sich jetzt das Grün und die Bäume die Hügel immer mehr zurück. Zum „Jubiläumsjahr“ haben Franzosen und Deutsche in gemeinsamer Anstrengung zudem viel unternommen, um gebührend an die monatelangen Stellungskämpfe vor hundert Jahren zu erinnern, die auf französischer und deutscher Seite insgesamt rund 300.000 Tote und mehr als 400.000 Verletzte forderten.

Wenige Kilometer unterhalb des Beinhaues ist das neue „Memorial de Verdun“ entstanden, Anfang des Jahres 2016 eröffnet vom französischen Staatspräsidenten Hollande und der deutschen Bundeskanzlerin Merkel. Der Höllen-Schlachtlärm, den man im Mittelpunkt dieser rund 2000 Quadratmeter großen und architektonisch relativ schlichten Erinnerungsstätte vor einer so genannten Scenographie des Kampfgeschehens per Kopfhörer auf die Ohren kriegt, steht im krassen Gegensatz zur Stille draußen. Lässt aber erahnen, wie es damals zugegangen sein muss bei diesem sinnlosen und sich über Monate hinziehenden Gemetzel um wenige Meter Bodengewinn für die eine oder andere Seite. Neun Dörfer wurden dabei komplett ausgelöscht, durch einige kann man heute hindurchwandern, wobei einzelne Stehlen daran erinnern, wo einmal das Pfarrhaus, die Schule oder die Bäckerei standen.

Die Ausstellung hier will nicht nur verständlich machen, was diese Schlacht für die an ihr beteiligten Menschen bedeutet haben. Sondern durch Einbettung in die historischen Zusammenhänge auch klar machen, dass der massenhafte Tod in „modernen“ Kriegen nicht mehr auf die Schlachtfelder begrenzt ist. Will Anknüpfungspunkte suchen zu den Konflikten und Kriegen, die danach bis heute folgten. Ein Ansatz, den man angesichts von Syrienkrieg und Flüchtlingskatastrophe hundert Jahre danach nur all‘ zu gut nachvollziehen kann. Und der den Besuch auf den Schlachtfeldern von Verdun mit der Erkenntnis entlohnt, dass das nach 1945 geschaffene vereinte Europa ein einzigartiges Friedensprojekt war und ist. Da sieht man dann auch schon mal darüber hinweg, dass die regionale Tourismusorganisation den „Gedenktourismus“ geradezu gnadenlos vermarktet, von Event-Shows bis hin zum Schlachtfeld-Marathon.

Übernachtungsempfehlung: Wer nicht in Verdun übernachten möchte, dem sei die „Hostellerie du Chateau des Monthairons“ im Weiler Les Monthairons rund 30 Kilometer südlich von Verdun empfohlen. Das Schloss mit einem riesigen Park liegt direkt an der Maas und verfügt über ein eigenes Restaurant. Doppelzimmer ab 110 €. Das Publikum ist europäisch.

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