Idylle über der Mulde – Das Museum Göschenhaus in Grimma

Thorsten Bolte // Juni 2021

Das Göschenhaus auf einem kolorierten Kupferstich von 1825  (© Foto: Museum Göschenhaus – Archiv Göschenhaus)
„Haben Sie nochmals herzlich Dank, lieber Freund, für Ihre gütige Aufnahme in Hohenstädt. Jener Tag gehört zu den fröhlichsten, die ich durchlebte. Ich sah Sie glücklich in Ihrem häuslichen Kreis, in Ihrer ländlichen Ruhe. Ich habe jetzt eine Anschauung Ihres zufriedenen Landlebens, ich kenne das Haus, das Sie bewohnen, die Gegend, die Sie umgibt, und kann mir nun alles, was Sie angeht, lebhafter vorstellen.“

Wer das schreibt, ist kein Unbekannter: Friedrich Schiller (1759-1805), der mit seiner Familie im September 1801 Göschens Landsitz aufsuchte. Ähnlich begeistert wie Schiller sind seitdem viele Gäste, wenn sie Deutschlands einziges Verlegermuseum 30 Kilometer südöstlich von Leipzig erleben. Man erwartet nicht unbedingt die fast südeuropäische Atmosphäre, die besonders der Garten ausstrahlt. Der rund 4300 m² große klassizistische Privatgarten – einzigartig in Sachsen – mit seinem Freundschaftspavillon wurde von Georg Joachim Göschen (1752-1828) gestaltet und hat seine Anlage bis heute erhalten. Neben dem Museum mit originaler Ausstattung ist der Göschengarten immer einen Besuch wert.

Der Freundschaftspavillon von 1801 (© Foto: Museum Göschenhaus – Archiv Göschenhaus)

Doch wer war dieser Göschen? Die Antwort: eine wahrlich europäische Größe! Als Verleger von Schiller, Goethe, Wieland und Klopstock machte er Furore, als Drucker setzte er neue Maßstäbe bei der Gestaltung von Büchern und als Ideengeber ist Göschen untrennbar mit dem modernen Buchhandel verbunden. Geboren in Bremen, gründet er 1785 in Leipzig eine Verlagsbuchhandlung und wird allmählich zur führenden Verlegerpersönlichkeit in Deutschland. Den Hohnstädter Landsitz erwirbt er 1795 und zieht von nun an viele Autoren an die Mulde, die ihrem Verleger einen Besuch abstatten. Ab 1797 wird das verstärkt Johann Gottfried Seume (1763-1810) sein, der mit Göschens Druckereiverlegung – die Druckerei wurde vier Jahre vorher in Leipzig gegründet – nach Grimma kommt. Seume, der seine Arbeit als Korrektor nicht sonderlich schätzt, liebt Göschens Anwesen und den Familienanschluss umso mehr. Am 6. Dezember 1801 bricht Seume zu seinem, durchaus gefährlichen „Spaziergang nach Syrakus“ auf, der ihm bis heute einen festen Platz in der Literaturgeschichte eingebracht hat. Wer den Göschengarten durchschreitet, wird auf eine sonderliche Steinplatte treffen mit der folgenden Inschrift: Eil, in die Furche der Zeit Gedanken und Thaten zu streun, die, von der Weisheit gesät, still für die Ewigkeit blühn. Diesen Stein mit der Inschrift – ein von Göschen angepasstes Schiller-Zitat – ließ Göschen aufstellen, bevor Seume loslief, ein Gedenkstein für alle Fälle, also.

Wer sich die Tage nach Grimma aufmacht, hat die Möglichkeit, bis zum 21. November die aktuelle Sonderausstellung im Museum Göschenhaus zu besuchen: „Das Grimmaische Wochenblatt – Georg Joachims Göschens Zeitung für Grimma“.

Impression der Sonderausstellung (© Foto: Museum Göschenhaus – Archiv Göschenhaus)

Göschen gründet das „Grimmaische Wochenblatt für Stadt und Land“ – so der ursprüngliche Titel der Zeitung – aus einer Not heraus. Die schwierige wirtschaftliche Lage Sachsens durch die Befreiungskriege gegen Napoleon führt auch im Buchhandel zu großen Problemen. Um die Angestellten seiner Druckerei in der Jüdengasse (heute Frauenstraße) weiter beschäftigen zu können, gibt Göschen kurzerhand ab dem 2. Januar 1813 das Wochenblatt heraus. Es wird ein erfolgreiches Unterfangen, besteht die Zeitung – auch wenn Titel und Konzeption sich ändern –  weit ins 20. Jahrhundert hinein.

Spezielle Lokalblätter sind in der Muldental-Region damals eher selten. Vor Göschens Zeitungsgründung erscheinen bereits 1806 der „Peniger Anzeiger“ und das „Leisniger Wochenblatt“, nach Göschen folgen 1819 das „Rochlitzer Tageblatt“, 1831 das „Colditzer Wochenblatt“ und 1833 das „Wurzener Wochen- und Intelligenzblatt“.

Aus Kostengründen übernimmt Göschen in seinem Wochenblatt von 1813 gleich mehrere Funktionen, denn er ist Verleger, Herausgeber, Redakteur und wichtigster Autor in einer Person. In der auf einem Bogen gedruckten Zeitung mit 8 Seiten gibt es freie Texte, Gedichte, Lieder, kleinere literarische Texte oder praktische Tipps wie z. B. die richtige Winterbekleidung – alles für das Kleinstadtmilieu Grimmas von Göschen speziell herausgesucht und angepasst. Natürlich findet auch das Stadtleben einen gebührenden Platz neben weltgeschichtlichen Begebenheiten, von denen das 1813 einige zu bieten hat. So erfährt der geneigte Leser zu Beginn des Jahrgangs noch von Grimmaer Feierlichkeiten für Napoleon, dann von den Schlachten der Völkerschlacht im nahen Leipzig, um mit Feierlichkeiten für den russischen Zaren das Jahr ausklingen zu lassen.

Göschen glaubt nicht, viel Gewinn mit der Zeitung zu machen – nur knapp 10 % der 3300 Einwohner Grimmas beziehen in den Anfangsjahren die Zeitung –, darum setzt er auf Anzeigen, die wesentlich die Zeitung finanzieren: Verkaufsanzeigen, persönliche Mitteilungen (etwa über verlorene Gegenstände oder öffentliche Danksagungen), kirchliche Nachrichten (Taufen, Eheschließungen, Beerdigungen), Wirtschaftsanzeigen („Brot- und Fleischtaxen“, Getreidepreise aus Leipzig und Leisnig, Termine für Holzauktionen, Versteigerungen, Steuerzahltage). Auch amtliche Nachrichten werden im „Grimmaischen Wochenblatt“ veröffentlicht, private Familienanzeigen werden dagegen erst nach Göschen im Wochenblatt eingefügt, so die erste Todesanzeige (1833), die erste Geburtsanzeige (1837) oder die erste Verlobungsanzeige (1878).

Einblick in die Dauerausstellung (© Foto: Museum Göschenhaus – Archiv Göschenhaus)
Einblick in die Dauerausstellung (© Foto: Museum Göschenhaus – Archiv Göschenhaus)

Und Göschen wäre kein Kaufmann, wenn nicht auch Verlagspublikationen aus seinem Verlag angeboten würden. Hier zeigt sich das besondere Gespür Göschens für seine Leserschaft: nicht die hohe Literatur eines Christoph Martin Wieland (1733-1813), mit dem er gerade in ganz Europa Erfolge feierte, rückt Göschen ins Wochenblatt, sondern Erbauungs- und Andachtsbücher neben Schulbüchern – Grimma ist halt nicht Leipzig. Zudem verweist Göschen darauf, dass jedes Buch in seiner Grimmaer Druckerei bestellt werden kann, für die Göschen keine Portokosten berechnet.

Als im Winter 1814 / 1815 in einem Freundeskreis rund um Göschen eine Abendgesellschaft namens „Heiterkeit“ gegründet wird, ist dies auch der Ort, an dem Göschen seine eigenen Texte vorträgt, um sie dann später für das Wochenblatt zu nutzen, in der Regel nur mit „G — n.“ gekennzeichnet. Und es ist symbolhaft, wenn Göschens letzter Text, der in seinem Wochenblatt erscheint, am Todestag des großen Buchmenschen erscheint, am 5. April 1828 … „Die Würde des Menschen“! So stellt Grimmas erste Zeitung auch einen einmaligen Schlüssel zum Denken Göschens dar.

Wer dieses „Klein-Weimar“ besuchen möchte, kann neben dem Besuch der Dauer- bzw. Sonderausstellung auch einfach durch den Göschengarten flanieren, dort, wo einst schon Göschen und Seume gingen …

Anmerkung des Verlags: Bitte beachten Sie das Museum ist nur mit einer Führung zu besichtigen. Führungen zu jeder vollen Stunde, die letzte Führung beginnt 15.00 Uhr. Bei Gruppen ab 10 Personen wird um eine Anmeldung gebeten. Neben Auto, Fahrrad oder „per pedes“, ist das Göschenhaus auch per öffentlichem Nahverkehr mit der Stadtlinie A zu erreichen.

Museum Göschenhaus Logo

Museum Göschenhaus – Seume-Gedenkstätte – Eine Einrichtung der Stadt Grimma

Schillerstraße 25, 04668 Grimma Tel.
0 34 37 - 91 11 18
E-Mail: goeschenhaus@grimma.de
Homepage: www.goeschenhaus.de

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 11.00 bis 16.00 Uhr und nach Vereinbarung.

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