Flamenco und Umwege

Manfred Jacobs // April 2017

Flamenco Festival in Jerez de la Frontera © Foto: Didier Hinz, Ulrike Jacobs

Ich habe meinen Großvater nie kennen gelernt. Vincente Vilar war aus Sevilla und fuhr zur See. Er wollte immer nach Amerika und schaffte es irgendwann auch, ließ sich in Brooklyn nieder, eröffnete einen Barber Shop, gründete eine Familie und starb dort. Meine sicherlich zahlreichen Groß-Cousins und Groß-Cousinen habe ich nie kennen gelernt – aber das ist eine andere Geschichte.

Ob Hamburg für einen spanischen Seemann in den 1920er Jahren einen Umweg bedeutete, wenn man doch eigentlich nach New York wollte, vermag ich nicht zu sagen. Immerhin hat ihn Großvater wohl mehrmals machen müssen, um meiner Mutter und meinem Onkel die Existenz zu ermöglichen. Dass er sich nach der Geburt des zweiten Kindes, meiner Mutter, nicht mehr blicken ließ, kann nur damit zusammen hängen, dass er eigentlich nach New York wollte. Aber wie gesagt: das ist eine andere Geschichte.

Das Flamenco Festival in Jerez de la Frontera gilt als das bedeutendste Flamenco Ereignis des Jahres weltweit und fand dieses Jahr vom 24. Februar bis zum 11.März statt.

Freunde, die jedes Jahr zum Festival fahren, hatten uns neugierig gemacht und die entsprechenden Tipps gegeben: Direktflug von Frankfurt/Hahn nach Jerez. Gutes und dennoch preisgünstiges Hotel in der Nähe des Teatro Villamarta. Buchen der Veranstaltungen über das Internet einige Wochen im Voraus. Wertvolle Tipps, die uns eine Woche in die Welt des Flamenco eintauchen ließen.

Flamenco Festival in Jerez de la Frontera © Foto: Didier Hinz, Ulrike Jacobs

Jeden Tag haben wir eine, manchmal zwei Vorführungen im Teatro oder in einer anderen der zahlreichen Spielstätten genossen. Tanz in den unterschiedlichsten Stilen, vom klassischen Flamenco bis zum Jazz Ballett, immer virtuos. Und dazu die Musik, die die Geister von Segovia und Paco di Lucia zu beschwören schien. Nach den Vorstellungen in die Tapas Bar, in der gegen Mitternacht die Stars des Flamenco nach ihren Auftritten mit lauten Olé-Rufen und anhaltendem Klatschen gefeiert wurden.

Flamenco Festival in Jerez de la Frontera © Foto: Didier Hinz, Ulrike Jacobs

Und dann der Ausflug nach Sevilla. Spaziergänge, eine Schiffsfahrt auf dem Guadalquivir. Hier liefen die Schiffe aus Übersee ein, voll beladen mit geraubtem Gold und Silber. Und von hier fahren auch heute noch Seeleute nach Übersee, manchmal auf Umwegen. Jerez war kein Umweg auf meinem lange aufgeschobenen Besuch des Geburtsortes meines Großvaters. Der Flamenco hat mich die Atmosphäre dieser wundervollen Stadt spüren lassen und vielleicht auch etwas von der Liebe und dem Schmerz meiner Großmutter ahnen lassen. Denn nichts anderes ist der Flamenco: Liebe, Leidenschaft, Schmerz.

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