Der 211. Todestag von J.G. Seume

Lutz Simmler // August 2021

Ein deutsch-tschechisches Treffen an seinem Grab in Teplice.

Seume Denkmal in Teplice (© Foto: gemeinfrei, wikipedia.org)

Am 211. Todestag von Johann Gottfried Seume (13. Juni 2021) besuchten Mitglieder der Internationalen Johann-Gottfried-Seume-Gesellschaft „ARETHUSA“ e. V. das Grab des berühmten Wanderers in Teplice.

Dem Anlass entsprechend besuchte die Reisegruppe zu Beginn Seumes Grab, wo ein Grabschmuck niedergelegt wurde. Zu einem Moment des Gedenkens wurde Texte des Herausgebers von Seumes Spaziergang, C.A.H. Clodius (1772–1836), gelesen, die der tschechische Seume-Freund und Germanist Jan Kapvil übersetzte.

„Hier also, auf diesem Hügel kalter Erde, legte unser Seume seinen Wanderstab für immer…nieder. Wohl ihm, und uns, seinen Freunden, dass wir sagen können von Grunde des Herzens! …Was Seume war, ward er durch sich selbst. … Er suchte die Spuren der allwaltenden Ordnung in den Schönheiten und Schrecknissen der Natur, in den Trümmern gesunkener Völker, … in den Gesinnungen der Menschen, seiner Brüder. Ach der rauhe Sohn der Natur, mit gradem Blick, mit dem tiefsten, brennendsten Gefühl des Rechts im Herzen, und dieses Herz auf der Zunge tragend, konnte seine Menschen nur zürnend, nur murrend lieben. … Friede seiner Asche! Die Erde deckt die Bösen, und die Guten drückt sie nicht.“
Seumes Grab in Teplice (von links nach rechts: Jirí Dušek, Jan Kvapil (© Foto: Lutz Simmler, Grimma)

Anschließend führte ein anderer tschechischer Seume-Bewunderer, Jiri Dušek, die Gruppe durch die Stadt. Teplice wurde zu Hochzeiten als das kleine Paris bezeichnet. 1895 wurde aus den beiden Orten Teplitz (Teplice) und Schönau (Šanov) der Badeort Teplitz-Schönau, lange Zeit einer der bedeutendsten Badeorte in Böhmen. Den Ort und die Badekultur haben auch jüdische Unternehmer in starkem Maße geprägt. Bis zum 2. Weltkrieg war in Teplitz-Schönau die zweitgrößte jüdische Gemeinde in Böhmen mit 5.000 Gemeindegliedern. Auch heute gibt es wieder eine jüdische Gemeinde. Ein Denkmal in Teplice erinnert an der Stelle, an der bis zum zweiten Weltkrieg sich eine der größten Synagogen Böhmens befand, an die leidvolle Geschichte der Juden in Teplitz. Sie wurde am 14. März 1939 niedergebrannt.

Die erste Persönlichkeit der ausgewählten vier Persönlichkeiten war Julius Johannes Ludovicus Payer, 1841 in Teplitz-Schönau geboren. Er war ein österreichisch-ungarischer Offizier, Polar- und Alpenforscher, Kartograf, Professor der Militärakademie und Maler. Sein besonderer Verdienst: Er leitete mit Carl Weyprechter von 1872 bis 1874 die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition, bei der u. a. die arktische Inselgruppe Franz-Josef-Land entdeckt wurde. Ihm wurde ein Denkmal gesetzt, das Jan Koblasa (1932-2017), ein tschechischer Bildhauer, Maler, Graphiker, Autor und Hochschullehrer, geschaffen hat.

Denkmal Julius von Payer (© Foto: gemeinfrei, wikipedia.org)

Die nächste Station war das 1895 errichtete und eingangs abgebildete J.G. Seume-Denkmal. Zur wechselvollen Geschichte des Denkmals gehören einige bemerkenswerte Details. Zum einen ist ein Teil des Sockels aus Teplitzer Quarzporphyr gefertigt, die Büste von Seume selbst aus Keramik. Das wiederum hat viel mit der Industriegeschichte zu tun, es gab Ton und Kaolinvorkommen sowie reichlich Energie (Braunkohle), um in Keramikschulen Alltagsgegenstände und Kunstwerke herzustellen und zu brennen. Das Denkmal wurde nach dem 2. Weltkrieg, wie vieles Deutsches, zunächst aus dem Stadtbild entfernt, dann aber vor 1989 wieder aufgestellt und restauriert. Begründet wurde das seinerzeit damit, dass Seume ein fortschrittlicher Dichter, ein Revolutionär und ein Kämpfer für die Freiheit des Volkes gewesen wäre - so lauten auch die Worte der Grabinschrift.

Die nächste Station war der Ort, an dem Seume gestorben ist - die Pension „Zum Goldenen Schiff“. Sie ist zwar längst abgerissen, es war eine passende Gelegenheit, um sich über die Geschichte seiner letzten Tage noch einmal auszutauschen. Was kaum jemand weiß: Teplitz ist eine Stadt voller Geschichten. Dazu gehört auch, dass die Stadt Verhandlungs- und Begegnungsort der drei alliierten Monarchen von Österreich, Preußen und Russland in den napoleonischen Kriegen und den folgenden 50 Jahren war.

Aber auch Künstler waren hier zu Gast. Wolfgang Amadeus Mozart beispielsweise, mit einem überlebensgroßen Denkmal, das größte seiner Art in Europa. Entstanden ist es im Auftrag des Prager „Ständetheaters“, geschaffen 1915 vom Bildhauer Franz Metzner. Im Jahre 1925 wurde die Figur auf einem der Teplitzer Marktplätze anstelle des 1918 abgebauten Kaiser Josef II.-Denkmals aufgestellt. Nach 1945 wurde Mozart ebenfalls verbannt, aber nicht zerstört, was wohl am Ende ein Glück bedeutete. Der jetzt, kurz vor 1989 ausgewählte Standort erlaubt eine amüsante Interpretation: Mozart schaut auf Beethoven oder zumindest auf das Kurhaus mit dessen Namen herab.

Mozart-Denkmal in Teplice (© Foto: gemeinfrei, wikipedia.org)

Die vorletzte Station war der Treffpunkt kurender Geistesgrößen vergangener Zeiten. Im Juli 1812 trafen sich in Teplitze der Dichter Johann Wolfgang von Goethe und der Komponist Ludwig van Beethoven. Eine Gedenktafel im Boden erinnert daran und an die Geschichte vom dem auf höfische Umgangsformen bedachten Goethe und dem demgegenüber freisinnigeren Verständnis Beethovens. Bei der Gelegenheit: In Beethovens Nachlass befand sich auch ein Buch von Seume. Dessen kritischer Blick auf die Mächtigen seiner Zeit bewegt uns noch heute.

Der Stadtrundgang endete am Alten Markt. Stadttheater, Stadtschloss, Schlosskirche und die Pestsäule bilden zusammen mit der Kirche des Stadtpatrons Johannes des Täufers ein beeindruckendes Ensemble.

Pestsäule Dekanatskirche Johannes des Täufers (links) und Schlosskirche (rechts) (© Foto: Hans Weingartz gemeinfrei, wikipedia.org)

Am Ende der Reise bleibt der Eindruck, dass Johann Gottfried Seume auch heute noch, wegen seines Grabs im deutsch-tschechischen Grenzraum, zum aufgeschlossenen Interesse und gegenseitigen Verständnis zwischen Menschen beiträgt, die sich im vergangenen Jahrhundert leider viel zu oft feindlich gegenüberstanden.

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