Barocke Grenzgänge

Wolfgang Felk und Jürgen Proföhr // Februar 2021

Eine Spurensuche entlang der BarockStraße SaarPfalz

Saarbrücken – Blick auf das Alte Rathaus am Schlossplatz © Foto: Jürgen Proföhr

Was fällt Ihnen (als Nicht-Saarländer) spontan zum Saarland ein? Immer noch Oskar (Lafontaine) oder „AKK“ (Annegret Kramp-Karrenbauer)? Oder Abraumhalden und rauchende Schlote? Okay, ist alles Teil der Wahrheit, damit können wir leben. Sind aber eher Auslaufmodelle, Landmarken der Vergangenheit (Kohlereste und Schlote natürlich…)

Nein, wenn Sie wirklich mal herkommen, werden Sie total überrascht sein: Wie schön das hier ist und wie grün. Wie viel spannende Geschichte sich hier ballt in der oft kriegsumtosten Grenzregion. Ihre Gastgeber oder die heimischen Touristiker werden Sie mit Recht zuerst zu den touristischen Highlights führen: Die romantische Saarschleife, das Wahrzeichen des Landes. Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte, Industriekultur zum Besteigen und Bestaunen. Oder die Biosphärenregion Bliesgau, wo das Land und sein Tourismus am sanftesten sind.

Und dann natürlich die Landeshauptstadt Saarbrücken mit ihren barocken Reminiszenzen: Schloss, Ludwigskirche und St. Johanner Markt. Allesamt Werke des genialen Städteplaners und Baumeisters Friedrich Joachim Stengel. Und dennoch ist der Saarbrücker Barock nur ein insgesamt recht bescheidener Rest einer einst grandiosen Barock-Landschaft, die sich in ganz eigener Ausprägung in unserer gesamten Region entfaltet hat - und von der viele heute kaum noch etwas wissen.

Saarbrücken – Ludwigskirche und Palais am Ludwigsplatz © Foto: Jürgen Proföhr

Geschaffen wurde sie Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts von den meist sehr kunstsinnigen Regenten dreier kleiner Reiche, dem Fürstentum Nassau-Saarbrücken, der Grafschaft von der Leyen um Blieskastel und dem benachbarten Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Die errichteten in ihrem „Beritt“ eine bunte Reihe von Residenz-, Jagd- und Lustschlössern, ausgestattet mit edlem Mobiliar und kostbaren Kunstwerken. Umgeben von teils riesigen Parks, oft nach dem modischen Vorbild englischer Landschaftsgärten. Dazu stattliche Bürgerhäuser, Kirchen und Plätze, aber auch Industrieanlagen, denn die Regenten waren seinerzeit auch Pioniere des Bergbau- und Hüttenwesens, aus dem sie gleichzeitig auch ihre finanziellen Mittel für ihre Prachtentfaltung schöpften.

Salzbrunnenhaus in Sulzbach © Foto: Jürgen Proföhr
Reste der Orangerie im WaldPark Schloss Karlsberg © Foto: Jürgen Proföhr

Eine überaus spannende Zeit und Epoche, die auch bis in unsere Zeit nachwirkt. Doch noch vor der Wende zum 19. Jahrhunderts war es leider schon wieder vorbei mit der ganzen Pracht: französische Revolutionstruppen machten auf ihrem Eroberungszug nach Norden das meiste, was sie an das Ancien Regime erinnerte, dem Erdboden gleich: „Vive la Revolution“! Alles schön und gut, aber sie hätten bei uns doch nicht alles gleich platt machen müssen!

So kann man heute leider oft nur noch Reste aufstöbern - vom pompösen Schloss Karlsberg bei Homburg etwa, das größer war als Versailles, vom exotischen „Tschifflick“ vor den Toren von Zweibrücken oder vom zauberhaften „Monplaisir“ am Würzbacher Weiher bei Blieskastel.

Zweibrücken – barockes Gartendenkmal Tschifflick © Foto: Jürgen Proföhr

„Monplaisir“ war das kleine Reich der Gräfin Marianne von der Leyen. In Blieskastel hatte sie ihre Residenz mit Schloss, am Weiher ihre „Sommerfrische“ inmitten eines großen Parks im Stile „anglo-chinois“. Eine Art Vorläufer der englischen Gärten mit einer Vielzahl an kleinen verspielten, exotischen Bauwerken, die die große Welt im Kleinen widerspiegeln sollten. Heute würde man sagen, eine Art Freizeit-Park, in dem durchaus auch der „gemeine Mann“ flanieren durfte.

Das tut er auch heute noch auf verschlungenen Wegen rund um den Weiher. Das imposante Schloss Philippsburg oberhalb am Hang ist leider versunken. Doch im Kleinen ist die einstige Größe noch spürbar. Etwa im gut erhaltenen Annahof, einem eigenwilligen Rundbau, einst das Hofgut der Ländereien, wo sich Gräfin Marianne höchstpersönlich mit Ackerbau, Viehzucht und Obstanbau beschäftigte.

Annahof am Würzbacher Weiher © Foto: Jürgen Proföhr

Vom Weiher aus führt ein schöner Wanderweg rüber nach Blieskastel, das in seinen Gassen auch noch viel vom ländlichen Barock der Grafenzeit bewahrt hat. Der Gräfin selbst erging es wie fast allen ihrer barocken Mitregenten: 1793 standen die Revolutionstruppen vor Blieskastel - im letzten Moment floh die Marianne in den Gewändern einer Dienstmagd Hals über Kopf durch ein Kellerfenster ihres Schlosses. Und landete so statt auf der Guillotine im sicheren Exil bei Frankfurt.

Blieskastel – Hofratshäuser am Schlossberg © Foto: Wolfgang Felk
„Die flüchtige Liebe“ – Terrine der Ottweiler Porzellanmanufaktur © Foto: Jürgen Proföhr

Es lohnt sich also, auf Spurensuche zu gehen, um die barocken Zeiten in ihren noch vorhandenen Resten, in Fotos, Zeichnungen, Gemälden und Plänen, in Erzählungen, in Gedanken und in der Phantasie wieder aufleben zu lassen. „barock. EN ROUTE“ führt Sie zu den wichtigsten Orten zwischen Saarbrücken, Blieskastel, Homburg, Zweibrücken und Ottweiler, es bündelt in Wort und Bild das, was einmal war. Und es lässt Sie am Ende vielleicht in den gleichen Stoßseufzer wie die Autoren des Buches ausbrechen: Herrjeh, wenn das alles erhalten geblieben wäre - nicht auszudenken!

Das Saarland bräuchte sich um seine Zukunft als touristisches Ziel jedenfalls keine Gedanken zu machen…

Anmerkung des Verlags: Wolfgang Felk und Jürgen Proföhr haben einen Reiseführer zum Thema verfasst.

Reiseführer Cover © BarockStraße SaarPfalz

„barock. EN ROUTE.“
Ein Reisebegleiter zu Geschichte(n), Kunst und Kultur an der BarockStraße SaarPfalz von Wolfgang Felk und Jürgen Proföhr, Klappbroschur, 204 Seiten inkl. aktueller Pläne sowie historischer Ansichten und Karten
Preis: 7,90 €, ISBN: 978-3-00-066627-8

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